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Gegen die Wand

Zu den eindrücklichsten Bildern im Tanz auf einer Bühne gehören Pina Bauschs Gänge, Läufe und Stürze gegen eine Wand. Nicht nur in vielen ihrer Arbeiten, immer liefen und werden Tänzer in Aufführungen gegen Wände laufen, einmal, viele, endlose Male. Auch wenn es nicht möglich ist, endlos gegen die Wand zulaufen, ist in diesem Bild ein immer wieder enthalten, ein bis in alle Ewigkeit. Tanzen bis zum Umfallen, eine Bewegung wiederholen bis sie anfängt, selbst zu tanzen. Das immer wieder gegen die Wand Laufen ist voller Widersprüche, ist Ausdruck von Gefangensein und doch befreiend. Eigentlich ist ein solches

Paradox

im eigenen Körper erst erlebbar, wenn das Ende einer Bewegung und ihrer Wiederholung nicht vorhersehbar ist. Aus diesem Grund überlässt der Tanzmarathon Dancing Days den TänzerInnen einen Raum mit unbegrenzter Zeit und die dringlichste Aufgabe, nicht aufzuhören zu tanzen.

Neben einem 24 Stunden- und einem Halbtagesformat dauerten die längsten Dancing Days in Etappen 11 Tage. All diese Formate sind für große Gruppen von 12 bis 36 TänzerInnen konzipiert. In einem aktuellen Soloformat und Neuinszenierungen geht es um die weitere Entwicklung der Dancing Days. neben der körperlichen und mentalen Herausforderung steht die performative und kreative Konfrontation im Mittelpunkt. In Bezug zu endlosem Tanzen lautet die Frage: Was und wen erschaffe

ich

wenn Zeit keine Grenze ist? Tanze ich dann in meiner ganzen Widersprüchlichkeit oder verliere ich sie? Wie ist es möglich, in einer Situation in der Müdigkeit und Erschöpfung präsent sind, nicht dem Widersprüchlichen zu entfliehen, sondern widersprüchliche und authentische Bewegung zu entwickeln, trotz Müdigkeit ein Risiko einzugehen? Gegen Wände laufen und daraus Energie schöpfen, aus der eigenen körperlichen Schwere Leichtigkeit entwickeln, ohne sich zu verleugnen. Ein eigenartiges Beispiel hierfür ist die Art, wie ein Kamel mit Widersprüchlichkeit, mit Widerstand und Risiko umgeht. Wird ein

Kamel

schwer mit Gepäck beladen, fängt es ganz natürlich an zu gehen, um die Knie und Fußgelenke zu entlasten. Es geht in den berühmten Passgang der Kamele über und führt jeweils beide Beine auf der einen und dann auf der anderen Seite vorbei. Während eine Seite noch schwerer trägt, entwickelt dieses rätselhafte Tier auf der anderen Körperseite Leichtigkeit. Der Kamelgang hat deswegen eine leicht schlingernde, schwingende Qualität, mit dem sich das Tier in die Unmöglichkeit der Wüste begibt.

Stefan Dreher

zum Tanzmarathon Performance-Projekts Dancing Days